Donnerstag, 31. Dezember 2020

Sanierung außerhalb der Insolvenz ab 1. Januar 2021 für drohend zahlungsunfähige Unternehmen

 

Der Bundestag beschließt das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (StaRUG), das bereits zum 1. Januar 2021 in Kraft treten soll.

Bereits im März 2019 hat das EU-Parlament die Richtlinie zum künftigen „Präventiven Restrukturierungsrahmen″ beschlossen (siehe hierzu unseren Blog-Beitrag). Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, einen präventiven Restrukturierungsrahmen (auch „vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren″ genannt) zu schaffen. Dieser soll Unternehmen die Möglichkeit geben, außerhalb des Insolvenzverfahrens Sanierungsmaßnahmen unter schützenden Bedingungen in einheitlicher Weise mit den Beteiligten abzustimmen und umzusetzen, ohne dass es zwingend der Herstellung eines Konsenses unter den Betroffenen bedarf oder einzelne Beteiligte das Vorhaben blockieren können.

Gesetzgebung im Rekordtempo

Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat am 18. September 2020 den 247 Seiten starken Referentenentwurf für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) vorgelegt. Bereits am 14. Oktober 2020, und damit nicht einmal einen Monat nach dem Erscheinen des Referentenentwurfs, erschien bereits der Regierungsentwurf des SanInsFoG  Der Bundestag hat das Gesetz am 17. Dezember 2020 in der Fassung der Beschlussempfehlung des Bundesrechtsausschusses verabschiedet. Zwischen der ersten Vorlage des Gesetzes und der Verabschiedung liegen damit nur drei Monate.

Das Gesetz enthält eine Vielzahl von Regelungen, die einerseits den präventiven Restrukturierungsrahmen umfassen, andererseits das bestehende Sanierungs- und Insolvenzrecht auf Grundlage der Ergebnisse der Evaluation des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) fortentwickeln und ergänzen sollen. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Evaluation finden Sie hier.

Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen

Der präventive Restrukturierungsrahmen heißt „Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen″ und ist im Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) geregelt. Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen bietet einen von dem Insolvenzverfahren unabhängigen gesetzlichen Rahmen zur Sanierung von Unternehmen ab Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen ist nicht als integriertes Verfahren – etwa nach dem Vorbild der früheren Vergleichsordnung – konzipiert, sondern als ein Rahmen von Verfahrenshilfen, welchen die Schuldnerin im Zuge eines von ihr verfolgten Restrukturierungsvorhabens – grundsätzlich ohne formale Verfahrenseröffnung und unabhängig voneinander – in Anspruch nehmen kann.

Kernelement ist der Restrukturierungsplan (§§ 5 ff. StaRUG). Der darstellende Teil enthält das Restrukturierungskonzept, das auf Grundlage des Plans und mit der Bewirkung der im gestaltenden Teil vorgesehenen Rechtsfolgen verwirklicht werden soll.

Über diesen Plan stimmen die Planbetroffenen, also insbesondere die Inhaber sogenannter Restrukturierungsforderungen ab. Hierfür werden die Planbetroffenen in Gruppen eingeteilt. Für die Annahme des Restrukturierungsplans ist gemäß § 25 Abs. 1 StaRUG grundsätzlich erforderlich, dass in jeder Gruppe auf die dem Plan zustimmenden Gruppenmitglieder mindestens 75% der Stimmrechte in dieser Gruppe entfallen (das Stimmrecht ist abhängig vom Betrag der Restrukturierungsforderungen, vgl. § 24 Abs. 1 StaRUG). Es ist aber auch möglich, dass die Zustimmung einzelner Gruppen ersetzt wird (§§ 26-28 StaRUG). Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen kann also gegen den Willen einzelner Gläubiger umgesetzt werden. Ausgenommen hiervon sind allerdings unter anderem Forderungen von Arbeitnehmern aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, einschließlich der Rechte aus Zusagen auf betriebliche Altersversorgung.

Außergerichtliches Verfahren, aber Einbeziehung des Restrukturierungsgerichts möglich

Die Ausarbeitung und Abstimmung über den Restrukturierungsplans erfordern grundsätzlich keine gerichtliche Beteiligung. Nur die sogenannten Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens erfordern eine Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht und dessen Tätigwerden (§29 StaRUG-E):

  • die Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens (gerichtliche Planabstimmung),
  • die gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans (Planbestätigung),
  • die gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich sind (Vorprüfung) und
  • die gerichtliche Anordnung von Regelungen zur Einschränkung von Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung (Stabilisierung).

Als fünftes Instrument sah der Regierungsentwurf die gerichtliche Beendigung von gegenseitigen, noch nicht beiderseitig vollständig erfüllten Verträgen vor. Diese Möglichkeit wurde nach der Beratung des Bundesrechtsausschusses gestrichen.

Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten als Regelfall?

Die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten soll nur im Ausnahmefall notwendig sein, ansonsten auf Antrag der Schuldnerin oder von mindestens 25% der Restrukturierungsgläubiger einer Restrukturierungsgruppe, die zur Übernahme der Kosten bereit sind, erfolgen (§ 77 Abs. 1 StaRUG). Allerdings ist sie u.a. dann notwendig, wenn Rechte von Verbraucherinnen oder mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen berührt werden, eine Stabilisierungsanordnung erwirkt wird, eine Vertragsbeendigung beantragt wird oder absehbar ist, dass das Restrukturierungsziel nur gegen den Willen von Inhaberinnen von Restrukturierungsforderungen oder Absonderungsanwartschaften erreichbar ist, deren Zustimmung ersetzt werden müsste (vgl. § 74 StaRUG).

Umfassender Anfechtungsschutz nur bei Einbeziehung des Gerichts

Die Möglichkeiten zur Insolvenzanfechtung im Umfeld des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens wird eingeschränkt (§ 89 StaRUG). Den umfassenden Anfechtungsschutz genießen Maßnahmen zum Vollzug des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens allerdings nur, wenn der Restrukturierungsplan rechtskräftig (gerichtlich) bestätigt wurde (§ 90 Abs. 1 StaRUG).

Neue Gerichtszuständigkeit: das Restrukturierungsgericht

Das StaRUG führt eine neue Gerichtszuständigkeit für die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ein: das Restrukturierungsgericht. Das Restrukturierungsgericht ist grundsätzlich das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Oberlandesgericht seinen Sitz hat. Dies bedeutet eine höhere Verfahrenskonzentration als bei Insolvenzverfahren. In Insolvenzsachen ist bislang in der Regel dasjenige Amtsgericht als Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat.

Sanierungsmoderation im Vorfeld des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens

Unabhängig vom Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen eröffnet § 94 StaRUG der Schuldnerin die Möglichkeit, im Falle von wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten eine gerichtlich bestellte Sanierungsmoderatorin in Anspruch zu nehmen. Diese soll als unabhängige, in Sanierungs- und Restrukturierungsfragen sachkundige Person bei der Ausarbeitung einer Sanierungslösung unterstützen.

Die Bestellung der Sanierungsberaterin erfolgt zunächst für einen Zeitraum von drei Monaten und kann auf Antrag der Moderatorin und mit Zustimmung der Schuldnerin und der an den Verhandlungen beteiligten Gläubigerinnen um weitere drei Monate verlängert werden.

Die Sanierungsmoderatorin wird zuvor abberufen, wenn sie oder die Schuldnerin dies beantragen oder wenn dem Gericht durch die Moderatorin die Insolvenzreife der Schuldnerin angezeigt wurde. Nimmt die Schuldnerin Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Anspruch, bleibt die Sanierungsmoderatorin im Amt, bis der Bestellungszeitraum abläuft, sie abberufen wird oder eine Restrukturierungsbeauftragte bestellt wird.

Moderate Verschärfung der Haftung für Geschäftsleiter

§ 1 StaRUG etabliert eine rechtsformunabhängige Pflicht von Geschäftsleitern zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern.

Ab Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht muss die Geschäftsleitung nach § 32 Abs. 1 StaRUG die Restrukturierungssache mit der „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführerin″ betreiben und Maßnahmen unterlassen, die das Restrukturierungsziel gefährden. Sie hat hierbei auch die Interessen der Gläubigergesamtheit zu wahren. Anders als noch im Regierungsentwurf vorgesehen, gilt die Pflicht zur Wahrung der Gläubigerinteressen nicht allgemein ab Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit, sondern erst ab Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache. Schadenersatzansprüche bei Pflichtverletzung kann nur das Unternehmen selbst, nicht aber Gläubiger geltend machen.

Im Gegenzug sollen die Geschäftsleitungen aber auch entlastet werden: Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen, ziehen nunmehr trotz Vorliegens einer Überschuldung keine Haftung nach (§ 15b InsO). Der neue § 15b InsO verlagert die Haftungsvorschriften für Zahlungen der Geschäftsleitung nach Eintritt der Insolvenzreife (etwa § 64 GmbHG92 Abs. 2 AktG130a HGB) nun rechtsformübergreifend in die Insolvenzordnung.

Verhältnis Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen und Eintritt der Insolvenzreife

Tritt nach einer Anzeige einer Restrukturierungssache beim Restrukturierungsgericht Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein, ist dies dem Restrukturierungsgericht anzuzeigen. Diese Regelung ist unter anderem deshalb erforderlich, weil während der Dauer der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt ist. Die Anzeige der zwingenden Insolvenzantragsgründe ersetzt dann die Insolvenzantragsstellung. Das Restrukturierungsgericht hat nach Anzeige der Insolvenzreife die Möglichkeit, die Restrukturierungssache aufzuheben.

Änderungen des geltenden Insolvenzrechts

Daneben enthält das SanInsFoG weitere Änderungen, die die Insolvenzordnung selbst betreffen:

Sind mindestens zwei der Kriterien des § 22a Abs. 1 InsO (mind. EUR 6 Mio. Bilanzsumme, mind. EUR 12 Mio. Umsatz, mind. 50 Arbeitnehmer) erfüllt, soll der Schuldnerin nach § 10a InsO -E nunmehr ein Anspruch auf ein Vorgespräch mit dem zuständigen Insolvenzgericht gewährt werden. Dies kann hilfreich zur Klärung von entscheidenden Verfahrensfragen vor Insolvenzantragstellung sein.

Des Weiteren werden die Voraussetzungen für die Eigenverwaltung deutlich präzisiert und damit auch erhöht (§§ 270 ff. InsO). Der Gesetzgeber verspricht sich hierdurch, dass das Verfahren noch stärker an die Gläubigerinteressen anknüpft. Die Eigenverwaltung soll so durch gut vorbereitete Schuldnerinnen künftig weiter gestärkt werden.

Um die drohende Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung künftig deutlicher abgrenzen zu können, werden durch das SanInsFoG unterschiedliche Prognosezeiträume festgelegt: Der Prognosezeitraum der drohenden Zahlungsfähigkeit beträgt nun 24 Monate (§ 18 Abs. 2 InsO-E), derjenige der Überschuldung zwölf Monate (§ 19 Abs. 2 S. 1 InsO-E). Auch soll so der Rechtsunsicherheit bei einem langen Prognosezeitraum entgegengewirkt werden.

Zugleich wurde die teilweise und vorübergehende weitere Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Unternehmen, die auf die Auszahlung von November- und Dezemberhilfen warten, sowie die Erleichterungen für COVID-19-bedingt insolvente Unternehmen, beschlossen.

Präventive Sanierung aussichtsreich!?

Aus Sicht der Praxis ist es zu begrüßen, kriselnden Unternehmen mit dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen die realistische Möglichkeit zur Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens – und damit auch außerhalb des Stigmas des Insolvenzverfahrens – zu eröffnen. Diese Möglichkeit ist umso wertvoller, da eine Veröffentlichung von gerichtlichen Beschlüssen nur auf Antrag der Schuldnerin erfolgen soll.

Der Bundesrechtsausschuss hat an einigen wesentlichen Stellen den Regierungsentwurf nachgebessert. So wurden in allerletzter Sekunde die immensen Anforderungen an Geschäftsleiter merklich entschärft und Haftungsrisiken auf ein nach heutiger Sicht beherrschbares Maß beschränkt. Allerdings wurde mit der Streichung der Möglichkeit der Vertragsbeendigung das scharfe Schwert deutlich stumpfer. Gerade für den COVID-19-gebeutelten Einzelhandel wäre dieses Instrument häufig ein Erfolgsgarant gewesen.

Sicherlich wird der Praxiseinsatz dieses neuen, 102 Paragraphen starken Gesetzes an einigen Stellen noch Nachbesserungsbedarf aufzeigen. Hier sollte der Gesetzgeber wachsam bleiben und schnell reagieren. Es bleibt zu hoffen, dass sich alle Betroffenen, insbesondere die Restrukturierungsgerichte, schnell mit ihren neuen Aufgaben und Möglichkeiten anfreunden und der präventiven Sanierungsmöglichkeit in Deutschland zum Erfolg verhelfen.

Montag, 28. September 2020

Der Gesetzgeber ist dabei die EU Richtlinie 1023/2019 auch für Firmen umzusetzen

 ...und außerhalb eines Insolvenzverfahrens die Restrukturierung und Entschuldung eines Unternehmens zu ermöglichen. 

Ein Meilenstein in der Entwicklung  der Insolvenzordnung!

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Voraussetzung ist, dass ihr Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig ist. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit sollten Sie schleunigst handeln um in den Genuss dieses Verfahrens zu kommen.

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Dienstag, 1. September 2020

Mit Beschluss vom 31.08.2020 hat das Amtsgericht Ravensburg die vorläufige Insolvenz der ZSK GmbH in Eigenverwaltung angeordnet

Mit diesem Beschluss wurde unserem Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung stattgegeben. Die ca.40 Mitarbeiter wird es freuen, zumal die Auftragslage und die Zukunftsaussichten sehr erfolgversprechend sind. Wir begleiten das Unternehmen schon längere Zeit und konnten im ersten Schritt durch einen Gehaltsverzicht mit den Mitarbeitern gemeinsam eine Liquiditätsverbesserung erreichen und somit den Corona bedingten Umsatzeinbrüchen entgegen wirken. Allen Beteiligten im Unternehmen im Unternehmen gebührt ein großes Lob, da sie in dieser schwierigen Zeit zu Zugeständnissen bereit waren um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern.

Automobildienstleister ZSK saniert sich in Eigenverwaltung

Ravensburg, 14. September 2020. Die ZSK GmbH hat einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung gestellt. Das Amtsgericht Ravensburg ordnete am 31. August 2020 das vorläufige Verfahren an. Restrukturierungsexperte Michael Pluta von der PLUTA Rechtsanwalts GmbH wurde zum vorläufigen Sachwalter bestellt und begleitet das Verfahren im Sinne der Gläubiger.

Grund für die Antragstellung sind Liquiditätsschwierigkeiten. Die zunehmend schwierige Entwicklung in der Automotivebranche sowie die Folgen der Corona-Krise hat das Unternehmen deutlich zu spüren bekommen. Der Automobilzulieferer mit Sitz in Weingarten nutzt nun die Möglichkeiten des Verfahrens, die der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) geschaffen hat. Durch die Eigenverwaltung können sich Unternehmen in schwierigen Situationen sanieren und für die Zukunft aufstellen. Die Geschäftsführung bleibt im Amt und führt die Sanierung unter Aufsicht des Gerichts und eines Sachwalters selbstständig durch. Die Geschäftsführung wird unterstützt von Rechtsanwalt Andreas Karger.

Geschäftsbetrieb läuft weiter

Der Geschäftsbetrieb des Unternehmens läuft vollumfänglich weiter. Die Gehälter der 39 Mitarbeiter sind über das sogenannte Insolvenzgeld gesichert. Sie wurden von den Verantwortlichen bereits umfassend über das Verfahren informiert. Die Mitarbeiter haben bereits vor Antragstellung ihren Sanierungsbeitrag geleistet und waren mit temporären Gehaltskürzungen einverstanden, um die Kostensituation zu entlasten.

Die ZSK GmbH ist seit der Gründung 1996 im Werkzeugbau tätig mit Spezialisierung auf Karosserieaußenteile (Türen, Dächer, Motorhaube, Kofferraumheckklappen etc.). Die Gesellschaft unterstützt bei Entwicklungsarbeiten sowie bei der Durchführung von Projekten zur Optimierung von Pressteilen auf den Produktionspressen der Kunden. Zum Leistungsspektrum gehört die Optimierung von laufenden Serienproduktionen bei mangelnder Pressteilqualität sowie die Verbesserung der Stückzahlen. Das Unternehmen legt Wert auf hohe Qualität, Termintreue und Zuverlässigkeit.

Die ZSK GmbH ist ein zertifizierter Dienstleister in diesem Markt und arbeitet für Automobilhersteller, Automobilzulieferer und namhafte Unternehmen des Großwerkzeugbau. Die Gesellschaft ist weltweit tätig, insbesondere in der EU, China, USA und Russland. Die Dienstleistungen von ZSK werden sowohl für Autos mit Verbrennungsmotor als auch für Elektro- oder Hybridautos nachgefragt, da Karosserieaußenteile für sämtliche Fahrzeuge gebraucht werden.

Insolvenzplan als Ziel

Die Auftragslage des Unternehmens ist gut, aber es gibt freie Kapazitäten für die kommenden Monate. Das Unternehmen beschäftigt 39 festangestellte Mitarbeiter. Derzeit ist ein Großteil der Mitarbeiter in China vor Ort bei wichtigen Kunden. Dies ist aufgrund der durch Corona noch schwierigeren Visavergabe in China ein strategischer Vorteil. Darüber hinaus stehen für Auslandseinsätze auch Subunternehmer und Freelancer zur Verfügung.

„Die derzeitige Situation ist eine Herausforderung. Die Automobilbranche spürt den Strukturwandel und aktuell ganz besonders die Auswirkungen der Corona-Krise. Trotzdem sind wir optimistisch, dass wir mit der Eigenverwaltung unser Unternehmen zukunftsfähig aufstellen können. Unser Unternehmen bietet qualitativ hochwertige Dienstleistungen und besonders das Know-how unserer Mitarbeiter ist bei den Kunden gefragt. Wir müssen unsere internen Prozesse verbessern, den Vertrieb stärken und den vorhandenen Auftragsbestand für die Zukunft ausbauen, um profitabel wirtschaften zu können“, sagt Thomas Strasser, Mitgründer und Geschäftsführer von ZSK. In den kommenden Wochen werden die Verantwortlichen ein Sanierungskonzept erstellen. Die Geschäftsführung strebt eine Einigung mit den Gläubigern über einen Insolvenzplan an, um das Unternehmen zu erhalten. Viele Zertifizierungen bei den Automotive-Kunden sind an den bisherigen Rechtsträger, die ZSK GmbH, gebunden und ein wertvolles Asset. Das Unternehmen sucht daher einen finanzkräftigen Investor, um dem Unternehmen mittel- und langfristig eine Rückkehr zur alten Stärke Zukunftschance zu ermöglichen.

Sachwalter Michael Pluta ergänzt: „Alle Beteiligten ziehen an einem Strang. Das ist wichtig bei einem Verfahren in Eigenverwaltung. In den kommenden Wochen wird das Unternehmen erste Gespräche mit Investoren führen. Wir werden das Unternehmen bestmöglich unterstützen und zugleich die Interessen der Gläubiger wahren.“ Pluta wird im Verfahren unterstützt von Rechtsanwalt Warmuth.

 Über das Verfahren

Die Eigenverwaltung bietet dem Unternehmen Planungssicherheit und berücksichtigt gleichzeitig die Interessen der Gläubiger. Das Unternehmen darf, unterstützt durch erfahrene Sanierungsexperten und unter Aufsicht eines Sachwalters, die Gesellschaft selbst durch das Verfahren führen. Bei einem Eigenverwaltungsverfahren bleibt die Geschäftsführung des Unternehmens im Amt und trifft eigene Entscheidungen.

Mittwoch, 26. August 2020

Pflicht zum Insolvenzantrag bleibt ausgesetzt (bei Überschuldung-nicht bei Zahlungsunfähigkeit)

 

26.08.20
Wirtschaft

 

Die Koalition hat sich darauf verständigt, die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen in der Coronakrise weiter auszusetzen. Manche Restrukturierer hoffen, dass der Aufschub reicht, um ihren Instrumentenbaukasten in der Zwischenzeit zu erweitern.

Die Lockerungen beim Insolvenzantrag gehen in die Verlängerung. Darauf hat sich die Koalition am gestrigen Dienstagabend geeinigt. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht war im Frühjahr zunächst bis Ende September beschlossen worden. Die Regelung können Unternehmen nutzen, die aufgrund der Coronavirus-Pandemie in wirtschaftliche Schieflage geraten sind.

Die Regelung wurde nun bis Jahresende verlängert – allerdings nicht für alle Insolvenzgründe: Die Aussetzung greift von Oktober an nur noch beim Insolvenzgrund Überschuldung. Als überschuldet gilt ein Unternehmen, wenn sein Vermögen nicht mehr ausreicht, um die bestehenden Verbindlichkeiten zu decken.

Bei Zahlungsunfähigkeit müssen Unternehmen künftig also wieder Insolvenz beantragen. Viele Marktbeobachter schätzen diesen Insolvenzgrund als deutlich relevanter ein als die Überschuldung. Zahlungsunfähig sind Unternehmen, sobald sie 10 Prozent ihrer fälligen Forderungen nicht in absehbarer Zeit begleichen können. Offenbar sieht die Politik bei den zahlungsunfähigen Unternehmen weniger Aussichten darauf, dass eine verlängerte Frist in ausreichend vielen Fällen zu einer nachhaltigen Restrukturierung führt.

Doch die Neuregelung überzeugt nicht alle Marktteilnehmer: „Ich halte die Unterscheidung für wenig sinnvoll“, kritisiert Daniel Kress, Partner im Berliner Büro der Kanzlei Hengeler Mueller. Entscheidender als der Antragsgrund ist aus seiner Sicht die positive Fortführungsprognose, der „Going Concern“. Dieser besteht fort, solange es aussichtsreiche Finanzierungsgespräche gibt. Der Anwalt geht davon aus, dass von der Verlängerung der Insolvenzantragsaussetzung nur wenige Unternehmen profitieren werden.

Insolvenzverwalter gegen Verlängerung

Auch die weiteren Reaktionen auf die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sind gespalten. Kritiker der Verlängerung fürchten, dass eine Aussetzung sogenannte „Zombie-Unternehmen“ künstlich am Leben erhalten wird, die aus eigener Kraft nicht mehr am Markt bestehen könnten. Dies schade Unternehmen, die die Krise aus eigener Kraft bewältigen.

Tatsächlich ist die Zahl der Insolvenzen aufgrund der Aussetzung bereits drastisch gesunken: Der Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) erwartete für Juli 2020 einen Rückgang um mehr als 29 Prozent gegenüber Juli 2019. Der Berufsverband positionierte sich zuletzt deutlich gegen eine Verlängerung – wohl nicht ganz ohne Eigeninteresse. Seinen Mitgliedern entziehen die Corona-Insolvenzregeln derzeit in Teilen die Geschäftsgrundlage.

Geht die Insolvenzaussetzung zu weit?

Der Insolvenzverwalter und VID-Vorsitzende Christoph Niering glaubt, dass Trittbrettfahrer profitieren: „Der deutliche Rückgang der eröffneten Unternehmensinsolvenzen zeigt, dass auch Unternehmen durch die Aussetzung der gesetzlichen Regelungen geschützt werden, die nicht pandemiebedingt in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind“, kritisierte er. Zudem werde in der Debatte zu wenig darauf abgestellt, dass ein Insolvenzverfahren in erster Linie die Interessen der Gläubiger befriedigen solle.

Auch Hengeler-Mueller-Partner Kress staunt über die zuletzt sehr niedrigen Zahlen bei den Insolvenzanträgen: „Firmenzombies, die schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie in Schieflage waren, gehörten eigentlich explizit nicht zum Adressatenkreis der Krisenmaßnahmen der Bundesregierung“, betont er. Sie wären auch unter den Sonderregelungen verpflichtet gewesen, einen Insolvenzantrag zu stellen. „Insofern verwundert die geringe Zahl von Insolvenzanträgen in den letzten Monaten durchaus.“ Seine Vermutung: „Es mag auch Firmen geben, die ihre wahre Situation geschickt verdecken konnten. Hier besteht die Gefahr, dass diese ihren Überlebenskampf zu Unrecht und zu Lasten der Masse noch einige Monate weiterführen.“ Anschließend könnte Deutschland dann eine Insolvenzwelle substanzloser Unternehmen bevorstehen, befürchtet der Jurist.

Aussetzung birgt auch Haftungsrisiken

Insolvenzverwalter Niering vermutet sogar, dass in der Unternehmerlandschaft der Eindruck entstanden sei, dass die Verpflichtung, einen Insolvenzantrag stellen zu müssen, vollständig ausgesetzt sei. Dabei greift die Regelung nur in klar definierten Fällen – wer nicht unter die Regelung fällt, kann sich schnell strafbar machen, wenn er eine geltende Insolvenzantragspflicht ignoriert. „Die damit verbundenen Haftungsrisiken, auch die strafrechtlichen Risiken, werden von vielen Unternehmern nicht gesehen“, warnt Niering. 

Die Situation ist für die Verantwortlichen in angeschlagenen Unternehmen durchaus heikel. Wenn ein Vorstand oder Geschäftsführer beispielsweise ein Geschäft eingeht, zu diesem Zeitpunkt aber schon davon ausgehen muss, dass er die eingegangene Verpflichtung bei Fälligkeit nicht wird erfüllen können, ist dies ein Eingehungsbetrug und damit strafbar.

In größeren Unternehmen scheinen diese Risiken deutlich präsenter zu sein, wie ein genauerer Blick in die Insolvenzstatistik nahelegt: Bei Unternehmen mit mehr als 20 Millionen Euro Umsatz ist die Anzahl der Insolvenzanträge in den zurückliegenden Monaten gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen – entgegen dem allgemeinen Trend der insgesamt rückläufigen Insolvenzen über alle Umsatzgrößen hinweg.

Eine mögliche Erklärung: Diese Großinsolvenzen werden häufig bereits in einem frühen Stadium eng von professionellen Restrukturierern begleitet. Und auch das Management hat aus Sorge vor Haftungsrisiken in der Regel ein Interesse daran, rasch für klare Verhältnisse zu sorgen.

Restrukturierer unterstützen Verlängerung

Die jetzt verkündete Verlängerung der Aussetzung zeigt auch die Konfliktlinie zwischen Insolvenzverwaltern und den stärker im vorinsolvenzlichen Bereich gefragten Restrukturierern noch einmal auf: Die TMA Deutschland, ein Berufsverband von Restrukturierungsexperten, hat eine ganz andere Einschätzung als der Insolvenzverwalterverband und unterstützte zuletzt eine längere Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung. Nach dem Willen der TMA hätte diese sogar bis März 2021 greifen können.

Die Restrukturierer fürchten, dass viele Unternehmen bis Oktober nicht sicher würden absehen können, ob ihr Betrieb für das laufende und das folgende Geschäftsjahr durchfinanziert sein wird. Ohne eine solche positive Prognose wäre wohl der Gang zum Insolvenzrichter angezeigt. Die TMA-Mitglieder fürchten, dass eine drohende große Insolvenzwelle in Deutschland die Kapazitäten sowohl der Gerichte als auch der etablierten Insolvenzverwalter an ihre Grenzen bringen würde.

Hoffnungsträger präventive Sanierung

Die Hoffnungen der Restrukturierungsbranche ruhen derzeit noch auf einem anderen Instrument: Aktuell wird das präventive Sanierungsverfahren nach der EU-Restrukturierungsrichtlinie in deutsches Recht überführt. In der Frage, welche Berufsgruppe am besten geeignet sei, die damit forcierte vorinsolvenzliche Sanierung zu begleiten, läuft seit längerem ein Positionierungswettstreit zwischen Insolvenzverwaltern und Restrukturierern.

Aus dem Markt ist zu hören, dass der Referentenentwurf für dieses vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren in Deutschland bis Ende August vorgelegt werden soll, also spätestens zu Beginn der kommenden Woche. Die gestern Abend in Berlin beschlossene Verlängerung der Insolvenzaussetzung könnte für den nötigen zeitlichen Spielraum sorgen, das Instrument der präventiven Sanierung noch so rechtzeitig in den Instrumentenbaukasten der Restrukturierer aufzunehmen, dass einige der momentan strauchelnden Krisenfälle davon profitieren könnten.

Mit einer Verlängerung gewinne der Gesetzgeber „die nötige Zeit, die EU-Restrukturierungsrichtlinie in deutsches Recht umzusetzen“, hofft auch die TMA. Sanierungsfähige Unternehmen könnten dann mit den Stimmen der Mehrheit ihrer Gläubiger außergerichtlich umschulden oder entschulden.

Wem kann die präventive Sanierung helfen?

Die präventive Sanierung setzt bereits vor der Insolvenzreife an und soll eine Sanierung in einem frühen Krisenstadium ermöglichen, um den Insolvenzfall zu verhindern. Unternehmen, die dieses Instrument nutzen, sollen im Kern gesund sein und über ein überlebensfähiges Geschäftsmodell verfügen.

Gerade diejenigen Unternehmen, die wirklich allein aufgrund der Coronakrise in Schieflage geraten sind, könnten damit von einem solchen Verfahren profitieren. „Das Instrument setzt an der Passivseite an und greift nicht bei einer operativen Sanierung, sondern nur im Falle der Überschuldung. Gerade im Corona-Umfeld sehen wir viele Unternehmen mit grundsätzlich funktionierenden Geschäftsmodellen, deren Kapitalstruktur durch die disruptive Entwicklung nicht mehr tragfähig ist“, beobachtet Daniel Kress von Hengeler Mueller. Für diese Unternehmen werde ein vorinsolvenzliches Verfahren „äußerst hilfreich sein“, meint der Jurist.

Unter diesem Aspekt sieht Kress auch die mehrmonatige Verlängerung positiv: „Viele Unternehmen mit hoher Schuldenlast werden für eine Erholung ihrer Geschäftsmodelle mehr Zeit benötigen. Mit der Verlängerung der Antragsaussetzung gewinnen sie diese, um dann – sollte der präventive Restrukturierungsrahmen in Kraft sein – die Kapitalstruktur anpassen zu können.“

sabine.reifenberger[at]finance-magazin.de

Freitag, 14. August 2020

50.000 Insolvenzen auf einen Schlag?Insolvenzverwalter warnt vor Pleiten: „Mir wäre als Banker nicht wohl in meiner Haut“

 https://www.focus.de/finanzen/boerse/50-000-insolvenzen-auf-einen-schlag-insolvenzverwalter-warnt-vor-pleiten-mir-waere-als-banker-nicht-wohl-in-meiner-haut_id_12313455.html

Dienstag, 28. Juli 2020

EU-Richlinie 2019/1023 wird jetzt auch in Deutschland umgesetzt

Richtlinie EU 2019/1023

Die Bundesregierung hat eine Reform des Insolvenzverfahrens beschlossen: Wer zahlungsunfähig geworden ist, soll sich nach drei Jahren entschulden können – bislang sind es bis zu sechs Jahre.

Das gilt für alle Verfahren, die ab dem 1.10.2020 beantragt werden. 

Dienstag, 5. Mai 2020

Insolvenzverwalter erwarten Pleitewelle im Herbst

Die Corona-Pandemie wird nach Einschätzung von Insolvenzverwaltern im Herbst eine große Insolvenzwelle auslösen. Die KfW-Kredite sind für die Sanierer jedenfalls kein Allheilmittel.
Viele Insolvenzverwalter stellen sich auf arbeitsreiche Monate ein: Im Herbst dieses Jahres rechnen sie mit deutlich steigenden Unternehmenspleiten. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage der Restrukturierungsberatung Falkensteg, deren Ergebnisse FINANCE exklusiv vorab vorliegen. Für die Befragung „Covid-19-Studie: Die Wirtschaft im freien Fall?“ hat Falkensteg die Aussagen von mehr als 60 Insolvenzverwaltern ausgewertet.

Ein Kernergebnis: Jeder dritte Teilnehmer geht davon aus, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen durch die Folgen des Coronavirus um mehr als 20 Prozent steigen wird. Gemessen an den Zahlen des Jahres 2019, als 18.749 Unternehmensinsolvenzen gemeldet wurden, wäre das ein Plus von mindestens 3.750 Unternehmen. Weitere 42 Prozent der Insolvenzverwalter erwarten eine Zunahme der Insolvenzanträge zwischen 10 und 19 Prozent. 

Wann kommt die Corona-Insolvenzwelle?

Mit der großen Pleitewelle rechnen die Insolvenzverwalter im Herbst dieses Jahres. 42 Prozent gehen davon aus, dass die Insolvenzwelle im September oder Oktober besonders stark sein wird. Der Hintergrund: Derzeit können Unternehmen, die durch das Coronavirus in die Krise geraten sind, von der Insolvenzantragspflicht befreit werden.

Diese Ausnahmen gelten jedoch derzeit nur bis Ende September. Laufen sie aus, erwarten die Insolvenzverwalter eine steigende Zahl der Firmenpleiten. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht halten 60 Prozent nur für eine bedingt geeignete Maßnahme zur Krisenbekämpfung. Zwar ist es grundsätzlich möglich, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht noch bis Ende März 2021 zu verlängern – dies dürfte die Welle allerdings bloß verschieben, vermuten die Experten.


Eine erste spürbare Zunahme an Insolvenzanträgen erwarten 14 Prozent der Befragten sogar bereits im Juni dieses Jahres. Dann könnten beispielsweise Unternehmen zur Insolvenz gezwungen sein, deren Anträge auf Kredite und Hilfsmittel abgelehnt wurden. 

Insolvenzverwalter sehen KfW-Kredite kritisch

Zu den Rettungsmaßnahmen, die den Unternehmen derzeit zur Verfügung stehen, haben die Insolvenzverwalter eine geteilte Meinung. Das gilt insbesondere für den Antrag auf KfW-Hilfskredite. Für die Sanierungsexperten entscheidet die Haftungshöhe der Banken darüber, ob dieses Instrument eine sinnvolle Unterstützung für kriselnde Unternehmen ist.

Beim KfW-Sonderprogramm müssen die kreditgebenden Banken nach wie vor ein Risiko von 10 bis 20 Prozent tragen – und dazu sind offenbar nicht alle bereit: „Die Kreditvergabe ist für Unternehmen, die sich in einer Krisenbranche oder auf einem guten Weg innerhalb einer Restrukturierung befinden, schwieriger als von der Bundesregierung erwünscht oder dargestellt“, sagt Tillmann Peeters, Managing Partner und Head of Restructuring bei der Restrukturierungsberatung Falkensteg. Weiche man von diesen harten Kreditkriterien ab, drohten allerdings unberechtigte Mitnahmeeffekte.

Aufgrund der restriktiven Herangehensweise der Banken sehen nur ein Drittel der an der Umfrage teilnehmenden Insolvenzverwalter in dem KfW-Sonderprogramm ein geeignetes Hilfsmittel zur Bekämpfung der Coronakrise. Deutlich größer ist dagegen die Zustimmung zu dem später aufgelegten Schnellkredit-Programm, bei dem das Kreditrisiko vollständig bei der KfW liegt und die Bank lediglich die Sicherheitenprüfung übernimmt. Dieses bewerten 65 Prozent der Insolvenzverwalter als geeignetes Hilfsmittel zur Krisenbewältigung.


Für drei Viertel der Sanierer wären direkte und nicht zurückzahlbare Zuschüsse des Staates an die Unternehmen ein sinnvolles Hilfsmittel. Eine sehr hohe Zustimmung erhält das bereits von vielen Unternehmen genutzte Kurzarbeitergeld: 91 Prozent der Teilnehmer sehen darin eine sinnvolle Unterstützungsmöglichkeit für kriselnde Betriebe. 

Insolvenzverwalter setzen auf Schutzschirmverfahren

Unter den verschiedenen Sanierungsoptionen, die den Unternehmen zur Verfügung stehen, halten die Insolvenzverwalter die Insolvenz in Eigenverwaltung sowie das Schutzschirmverfahren für besonders geeignet. Beide sind inzwischen weit verbreitet: Unter den 179 Insolvenzen von Unternehmen mit mehr als 10 Millionen Euro Umsatz wurde im vergangenen Jahr jedes dritte Verfahren in Eigenregie durchgeführt, zeigt der FINANCE-Insolvenz-Report, den FINANCE in Zusammenarbeit mit Falkensteg erstellt.
„Viele Insolvenzexperten hatten das Schutzschirmverfahren schon abgeschrieben. Jetzt brauchen wir es dringender denn je, damit wettbewerbsfähige Unternehmen nicht aufgrund der Auswirkungen von gravierenden Naturereignissen aus dem Markt ausscheiden müssen“, sagt Restrukturierer Peeters. 


Als Sanierungsinstrument erhält das Schutzschirmverfahren von den Insolvenzverwaltern in der Befragung eine Zustimmung von 64 Prozent, die vorläufige Eigenverwaltung halten 72 Prozent für ein geeignetes Instrument in der Coronakrise. Damit liegt die Zustimmung für diese beiden Verfahren deutlich über dem Wert für die klassische Regelinsolvenz, die nur auf 56 Prozent kommt. 

Diese Branchen verlieren in der Coronakrise

Wenig überraschend ist die Einschätzung der Insolvenzverwalter zu den Branchen, aus denen sie künftig die meisten Krisenfälle erwarten: Als klaren Verlierer sehen sie aufgrund von Reisebeschränkungen die Reiseindustrie, die 97 Prozent als Verlierer der Krise einstufen.

Doch auch Branchen, die vor Ausbruch der Pandemie ohnehin schon zu kämpfen hatten, geraten durch die Folgen des Coronavirus nun noch stärker unter Druck: „Besonders hart trifft es die bereits angeschlagenen Automotive-Unternehmen und den Einzelhandel. Zu einer chronischen Lungenentzündung kommt noch Covid-19 hinzu“, bilanziert Tillmann Peeters. Die Fahrzeugbauer und Zulieferer stufen 83 Prozent der teilnehmenden Insolvenzverwalter als Verlierer der Krise ein, den Einzelhandel mit Konsumgütern verorten 77 Prozent auf der Verliererseite.