Donnerstag, 26. März 2020


24. März 2020  Veröffentlichung vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz

Fragen und Antworten: Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und flankierende Regelungen 

Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19 Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht 

1. Was ist das Ziel der Regelungen zum Insolvenzrecht?  

Durch die Regelungen soll Unternehmen, die aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie wirtschaftliche Schwierigkeiten haben oder bereits insolvent sind, geholfen werden. 

2. Welche Regelungen sieht das geplante Gesetz konkret zur Unterstützung von Unternehmen vor?

Das geplante Gesetz sieht im Wesentlichen fünf Maßnahmen zur Unterstüt-zung von durch die COVID-19-Pandemie betroffenen Unternehmen vor:  

2.1. Zunächst soll die haftungsbewehrte und teilweise auch strafbewehrte In-solvenzantragspflicht vorübergehend bis zum 30. September 2020 ausgesetzt werden. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll nur für Fälle gelten, in denen die Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht. Beim Vorliegen einer Zah-lungsunfähigkeit soll für die Aussetzung der Antragspflicht zudem erforder-lich sein, dass Aussichten auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit be-stehen. Durch die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sollen antragspflichtige Unternehmen die Gelegenheit erhalten, ein Insolvenzver-fahren, insbesondere unter Inanspruchnahme der bereitzustellenden staat-lichen Hilfen, gegebenenfalls aber auch im Zuge von Sanierungs- oder Fi-nanzierungsvereinbarungen, abzuwenden. 

2.2. Zudem sollen Geschäftsleiter nur eingeschränkt für Zahlungen haften, die sie nach Eintritt der Insolvenzreife des Unternehmens vornehmen: Während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll für im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgende Zahlungen gelten, dass diese mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Ins-besondere erfasst werden sollen Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanie-rungskonzeptes dienen. Diese Regelung soll es Geschäftsleitern ermöglichen, während der Ausset-zung der Insolvenzantragspflicht im Rahmen von Sanierungsbemühungen erforderliche Maßnahmen zur Fortführung der von der COVID-19-Pandemie betroffen Unternehmen im ordentlichen Geschäftsgang zu ergreifen. 

2.3. Während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht an von der COVID-19-Pandemie betroffene Unternehmen gewährte neue Kredite sollen nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen sein; ihre Besicherung und eine bis zum 30. September 2023 erfolgende Rückgewähr sollen zudem als nicht gläubigerbenachteiligend gelten. Dies soll auch für Gesellschafterdarlehen gelten, nicht jedoch für deren Besicherung. Zudem sollen die neu gewährten Gesellschafterdarlehen vorübergehend nicht nach-rangig sein. Die mit den Regelungen einhergehende Einschränkung anfechtungs- und haftungsrechtlicher Risiken soll die Vergabe von neuen Krediten fördern. 

2.4. Zudem soll geregelt werden, dass während der Aussetzung der Insol-venzantragspflicht erfolgende Leistungen an Vertragspartner nur eingeschränkt anfechtbar sind. Die Beschränkung der Anfechtungsrisiken soll eine Fortführung der Geschäftsbeziehungen zu den von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betroffenen Unternehmen unterstützen.  

2.5. Des Weiteren soll die Möglichkeit von Gläubigern, durch Insolvenzanträge Insolvenzverfahren zu erzwingen, für drei Monate eingeschränkt werden. Hierdurch soll den von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie be-troffenen Unternehmen Zeit für die Sanierungsbemühungen und Verhand-lungen mit ihren Gläubigern verschafft werden. 

3. Warum ist es wichtig, dass die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt wird? 

Die Insolvenzantragspflicht des § 15a der Insolvenzordnung (InsO) und des § 42 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist haftungsbewehrt. Die Insol-venzantragspflicht des § 15a InsO ist zudem strafbewehrt. Das heißt, dass Ge-schäftsleiter, die keinen oder nicht rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellen, für die aus der Pflichtverletzung resultierenden Schäden persönlich haften und im Fall des § 15a InsO strafrechtlich sanktioniert werden. Durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll für Geschäftsleiter von antragspflichtigen Unternehmen die Möglichkeit geschaffen werden, Sanierungsmöglichkeiten auszuloten, ohne die Haftung wegen einer Verletzung der Insolvenzantragspflicht fürchten zu müssen. 

4. Für wen gilt die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht? 

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll für die Unternehmen gelten, deren Antragspflicht direkt in § 15a der Insolvenzordnung geregelt ist, sowie für Unternehmen, deren Antragspflicht sich aus einem Verweis auf die vor-genannte Vorschrift ergibt. Die Aussetzung soll zudem auch für Vereins- und andere Vorstände gelten, deren Antragspflicht direkt in § 42 Abs. 2 des Bür-gerlichen Gesetzbuchs oder durch Verweis auf diese Vorschrift geregelt ist. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll nur für Fälle gelten, in denen die Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) auf den Fol-gen der COVID-19-Pandemie beruht. Beim Vorliegen einer Zahlungsunfä-higkeit soll für die Aussetzung der Antragspflicht zudem erforderlich sein, dass Aussichten auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen.  

5. Für welchen Zeitraum gilt die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht? 

Die Aussetzung der Antragspflicht soll zunächst bis zum 30. September 2020 gelten. Sie soll zudem rückwirkend auch den Zeitraum ab dem 1. März 2020 abdecken. Mit der Rückwirkung soll verhindert werden, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für einige Unternehmen, die von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betroffen sind, bereits zu spät kommen kann.

6. Gelten die Haftungs- und Anfechtungserleichterungen nur für Kreditgeber und Vertragspartner antragspflichtiger insolventer Unternehmen? 

Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betreffen Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform. Daher soll auch die Vergabe neuer Kredite an nicht antragspflichtige Unternehmen, wie z.B. Einzelhandelskaufleute, ge-fördert werden und auch für ihre Vertragspartner sollen die Haftungs- und Anfechtungserleichterungen gelten. Zudem sollen die Haftungs- und Anfechtungserleichterungen bereits greifen, bevor eine Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) vorliegt. Hierdurch sollen frühe Sanierungsbemühungen gefördert und Unsicherheiten vermieden werden.

Dienstag, 17. März 2020

Insolvenzantragspflicht für durch die Corona-Epidemie geschädigte Unternehmen aussetzen

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bereitet eine gesetzliche Regelung zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vor, um Unternehmen zu schützen, die infolge der Corona-Epidemie in eine finanzielle Schieflage geraten. Als Vorbild hierfür dienen Regelungen, die anlässlich der Hochwasserkatastrophen 2002, 2013 und 2016 getroffen wurden.
Hierzu erklärt die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Christine Lambrecht:
„Wir wollen verhindern, dass Unternehmen nur deshalb Insolvenz anmelden müssen, weil die von der Bundesregierung beschlossenen Hilfen nicht rechtzeitig bei ihnen ankommen. Die reguläre Drei-Wochen-Frist der Insolvenzordnung ist für diese Fälle zu kurz bemessen. Deshalb flankieren wir das von der Bundesregierung bereits beschlossene Hilfspaket mit einer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30.09.2020 für die betroffenen Unternehmen. Mit diesem Schritt tragen wir dazu bei, die Folgen des Ausbruchs für die Realwirtschaft abzufedern.“
Die Bundesregierung hat angekündigt, verschiedene Instrumente zur Stützung der Liquidität von Unternehmen bereitzustellen, die aufgrund der Auswirkungen der Corona-Epidemie in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Es ist aber aus organisatorischen und administrativen Gründen nicht sichergestellt, dass derartige Hilfen rechtzeitig innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht bei den Unternehmen ankommen werden.
Um zu vermeiden, dass betroffene Unternehmen allein deshalb einen Insolvenzantrag stellen müssen, weil die Bearbeitung von Anträgen auf öffentliche Hilfen bzw. Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen in der außergewöhnlichen aktuellen Lage nicht innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht abgeschlossen werden können, soll daher durch eine gesetzliche Regelung für einen Zeitraum bis zum 30.09.2020 die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt werden. Voraussetzung für die Aussetzung soll sein, dass der Insolvenzgrund auf den Auswirkungen der Corona-Epidemie beruht und dass aufgrund einer Beantragung öffentlicher Hilfen bzw. ernsthafter Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen eines Antragspflichtigen begründete Aussichten auf Sanierung bestehen. Darüber hinaus soll eine Verordnungsermächtigung für das BMJV für eine Verlängerung der Maßnahme höchstens bis zum 31.03.2021 vorgeschlagen werden.