Dienstag, 5. Mai 2020

Insolvenzverwalter erwarten Pleitewelle im Herbst

Die Corona-Pandemie wird nach Einschätzung von Insolvenzverwaltern im Herbst eine große Insolvenzwelle auslösen. Die KfW-Kredite sind für die Sanierer jedenfalls kein Allheilmittel.
Viele Insolvenzverwalter stellen sich auf arbeitsreiche Monate ein: Im Herbst dieses Jahres rechnen sie mit deutlich steigenden Unternehmenspleiten. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage der Restrukturierungsberatung Falkensteg, deren Ergebnisse FINANCE exklusiv vorab vorliegen. Für die Befragung „Covid-19-Studie: Die Wirtschaft im freien Fall?“ hat Falkensteg die Aussagen von mehr als 60 Insolvenzverwaltern ausgewertet.

Ein Kernergebnis: Jeder dritte Teilnehmer geht davon aus, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen durch die Folgen des Coronavirus um mehr als 20 Prozent steigen wird. Gemessen an den Zahlen des Jahres 2019, als 18.749 Unternehmensinsolvenzen gemeldet wurden, wäre das ein Plus von mindestens 3.750 Unternehmen. Weitere 42 Prozent der Insolvenzverwalter erwarten eine Zunahme der Insolvenzanträge zwischen 10 und 19 Prozent. 

Wann kommt die Corona-Insolvenzwelle?

Mit der großen Pleitewelle rechnen die Insolvenzverwalter im Herbst dieses Jahres. 42 Prozent gehen davon aus, dass die Insolvenzwelle im September oder Oktober besonders stark sein wird. Der Hintergrund: Derzeit können Unternehmen, die durch das Coronavirus in die Krise geraten sind, von der Insolvenzantragspflicht befreit werden.

Diese Ausnahmen gelten jedoch derzeit nur bis Ende September. Laufen sie aus, erwarten die Insolvenzverwalter eine steigende Zahl der Firmenpleiten. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht halten 60 Prozent nur für eine bedingt geeignete Maßnahme zur Krisenbekämpfung. Zwar ist es grundsätzlich möglich, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht noch bis Ende März 2021 zu verlängern – dies dürfte die Welle allerdings bloß verschieben, vermuten die Experten.


Eine erste spürbare Zunahme an Insolvenzanträgen erwarten 14 Prozent der Befragten sogar bereits im Juni dieses Jahres. Dann könnten beispielsweise Unternehmen zur Insolvenz gezwungen sein, deren Anträge auf Kredite und Hilfsmittel abgelehnt wurden. 

Insolvenzverwalter sehen KfW-Kredite kritisch

Zu den Rettungsmaßnahmen, die den Unternehmen derzeit zur Verfügung stehen, haben die Insolvenzverwalter eine geteilte Meinung. Das gilt insbesondere für den Antrag auf KfW-Hilfskredite. Für die Sanierungsexperten entscheidet die Haftungshöhe der Banken darüber, ob dieses Instrument eine sinnvolle Unterstützung für kriselnde Unternehmen ist.

Beim KfW-Sonderprogramm müssen die kreditgebenden Banken nach wie vor ein Risiko von 10 bis 20 Prozent tragen – und dazu sind offenbar nicht alle bereit: „Die Kreditvergabe ist für Unternehmen, die sich in einer Krisenbranche oder auf einem guten Weg innerhalb einer Restrukturierung befinden, schwieriger als von der Bundesregierung erwünscht oder dargestellt“, sagt Tillmann Peeters, Managing Partner und Head of Restructuring bei der Restrukturierungsberatung Falkensteg. Weiche man von diesen harten Kreditkriterien ab, drohten allerdings unberechtigte Mitnahmeeffekte.

Aufgrund der restriktiven Herangehensweise der Banken sehen nur ein Drittel der an der Umfrage teilnehmenden Insolvenzverwalter in dem KfW-Sonderprogramm ein geeignetes Hilfsmittel zur Bekämpfung der Coronakrise. Deutlich größer ist dagegen die Zustimmung zu dem später aufgelegten Schnellkredit-Programm, bei dem das Kreditrisiko vollständig bei der KfW liegt und die Bank lediglich die Sicherheitenprüfung übernimmt. Dieses bewerten 65 Prozent der Insolvenzverwalter als geeignetes Hilfsmittel zur Krisenbewältigung.


Für drei Viertel der Sanierer wären direkte und nicht zurückzahlbare Zuschüsse des Staates an die Unternehmen ein sinnvolles Hilfsmittel. Eine sehr hohe Zustimmung erhält das bereits von vielen Unternehmen genutzte Kurzarbeitergeld: 91 Prozent der Teilnehmer sehen darin eine sinnvolle Unterstützungsmöglichkeit für kriselnde Betriebe. 

Insolvenzverwalter setzen auf Schutzschirmverfahren

Unter den verschiedenen Sanierungsoptionen, die den Unternehmen zur Verfügung stehen, halten die Insolvenzverwalter die Insolvenz in Eigenverwaltung sowie das Schutzschirmverfahren für besonders geeignet. Beide sind inzwischen weit verbreitet: Unter den 179 Insolvenzen von Unternehmen mit mehr als 10 Millionen Euro Umsatz wurde im vergangenen Jahr jedes dritte Verfahren in Eigenregie durchgeführt, zeigt der FINANCE-Insolvenz-Report, den FINANCE in Zusammenarbeit mit Falkensteg erstellt.
„Viele Insolvenzexperten hatten das Schutzschirmverfahren schon abgeschrieben. Jetzt brauchen wir es dringender denn je, damit wettbewerbsfähige Unternehmen nicht aufgrund der Auswirkungen von gravierenden Naturereignissen aus dem Markt ausscheiden müssen“, sagt Restrukturierer Peeters. 


Als Sanierungsinstrument erhält das Schutzschirmverfahren von den Insolvenzverwaltern in der Befragung eine Zustimmung von 64 Prozent, die vorläufige Eigenverwaltung halten 72 Prozent für ein geeignetes Instrument in der Coronakrise. Damit liegt die Zustimmung für diese beiden Verfahren deutlich über dem Wert für die klassische Regelinsolvenz, die nur auf 56 Prozent kommt. 

Diese Branchen verlieren in der Coronakrise

Wenig überraschend ist die Einschätzung der Insolvenzverwalter zu den Branchen, aus denen sie künftig die meisten Krisenfälle erwarten: Als klaren Verlierer sehen sie aufgrund von Reisebeschränkungen die Reiseindustrie, die 97 Prozent als Verlierer der Krise einstufen.

Doch auch Branchen, die vor Ausbruch der Pandemie ohnehin schon zu kämpfen hatten, geraten durch die Folgen des Coronavirus nun noch stärker unter Druck: „Besonders hart trifft es die bereits angeschlagenen Automotive-Unternehmen und den Einzelhandel. Zu einer chronischen Lungenentzündung kommt noch Covid-19 hinzu“, bilanziert Tillmann Peeters. Die Fahrzeugbauer und Zulieferer stufen 83 Prozent der teilnehmenden Insolvenzverwalter als Verlierer der Krise ein, den Einzelhandel mit Konsumgütern verorten 77 Prozent auf der Verliererseite. 

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